Er stand neben der Katze, über der Katze, sah auf sie hinunter, auf ihre Hinterbeine, die sie leicht gespreizt hatte, das angehobene Hinterteil, die artig nebeneinander gestellten Vorderpfoten, die Ohren, die sie zur Seite gerichtet hatte und auf ihre Augen, die starr geradeaus blickten.
„Sie wird doch nicht“ sagte er, aber da sah er ihn auch schon, den feinen Strahl, der in einem runden Bogen aus der Katze herausspritze, gegen den Türstock prasselte und dann im Parkettboden versickerte, dessen Dielen nur mehr lose aneinander lagen und beim Gehen durch die Wohnung jedes Mal ein klackerndes Geräusch von sich gaben. Er hatte Lust, der Katze einen Tritt zu geben, sodass ihr Körper einen großen Bogen durchs Vorzimmer beschreiben würde, aber er blieb starr über sie gebeugt stehen, denn wenn er sie jetzt in die Seite trat, würde der Strahl mit ihr fliegen und alles nass machen. Außerdem war es nicht seine Katze, es war Arcolas Katze, aber die saß nur da und rauchte und sah gelangweilt zur Katze und dann zu ihm.
„Sie pinkelt tatsächlich, schau dir das an, sie pinkelt einfach hierher!“, rief er.
Er wartete, bis die letzen Tropfen aus der Katze herausgeflossen waren, sah ihr zu, wie sie die Hinterbeine kurz schüttelte und einfach wegging, als würde sie das alles nichts angehen, und wieder hatte er Lust, sie zu treten, oder ihr ins Gesicht zu schlagen, in dieses arrogante Fellgesicht mit den wegstehenden Schnurrbarthaaren. Stattdessen holte er eine Rolle Klopapier aus dem Klo, riss Blätter ab und ließ sie hinunter segeln, bis ein ganzer Berg davon die Lacke unter sich begrub, und gleichzeitig fragte er sich, warum er das tat, schließlich war es nicht seine Katze, ebenso wenig, wie es seine Wohnung war.
Er setzte sich wieder an den Tisch, sah Arcola zu, wie sie die Zigarette im Aschenbecher ausdämpfte und sich die nächste ansteckte.
„Sag mal, stört dich das gar nicht, dass sie so einfach hierher pinkelt?“, fragte er und sie sagte: „Doch, aber was soll ich jetzt machen, das hat doch keinen Sinn, wenn ich mich jetzt darüber aufrege.“
„Du musst mit ihr schimpfen“, sagte er, „Katzen sind wie Kinder.“
Er stand auf und schnappte sich die Katze, „Böse Katze“, sagte er – er schlug sie nicht, sondern trug sie zum Katzenkistchen, wo er sie absetzte und woraus sie gleich wieder sprang und um die Ecke sauste. Der Parkettboden klackerte und die Katze verkroch sich unter dem Stuhl, auf den er sich immer setze, wenn er seine Schuhe aus- oder anzog.
„Ich bitte dich, lass doch die Schuhe an“, hatte Arcola gesagt, als er das erste Mal zu ihr gekommen war und sich auf den Sessel gesetzt hatte, und auch heute noch passierte es ihm, das Schuheausziehen, es war wie ein Reflex, aber Arcola sagte nichts mehr, blieb nur neben ihm stehen und sah ihm zu, und jedes Mal war es ihm ein wenig unangenehm, wenn sie so auf ihn hinuntersah und wartete.
(…)
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