Pécs-Tage­buch 27.3./ II

In Öster­reich kur­sie­ren neu­er­dings Schlag­wor­te wie „Wer­te­schu­lung“ und „christ­li­ches Abend­land“. Ich sit­ze allein in mei­nem Péc­ser Appar­te­ment und hal­te mich nicht an die Tra­di­ti­on des Fami­li­en­fes­tes. Eine Bekann­te aus Ban­ja Luka schickt mir Oster­grü­ße, sie selbst fei­ert als Ortho­do­xe erst Anfang Mai.

Pécs-Tage­buch 28.3.

Wie ein zäh­flüs­si­ger Lava­strom wälzt sich die Hand­lung durch das tro­cke­ne Gelän­de mei­ner Gedan­ken­gän­ge. In Öster­reich wird der­weil um Pro­zent­an­ga­ben in Zei­tun­gen gestrit­ten, in Paki­stan wur­den Zivi­lis­ten bei einem Anschlag zer­fetzt. Man rät mir : Scheib was Leich­tes, was Roman­ti­sches,

Pécs-Tage­buch 27.3./ I

- Aber war­um aus­ge­rech­net ein jüdi­sches Lied in einer Zis­ter­zi­en­ser­kir­che, die noch dazu ein­mal eine Moschee gewe­sen ist? Haben Sie denn gar kei­nen Respekt vor den Reli­gio­nen?
Ich 2, aha, das katho­li­sche Über-Ich also, den­ke ich. Heu­te fei­ert es sei­ne Auf­er­ste­hung und pafft mir die Bude voll.

Pécs-Tage­buch 26.3.

In der Kirá­ly utca lie­gen Gedich­te auf dem bron­ze­nen Kaf­fee­haus­tisch. Dane­ben steht ein weiß­haa­ri­ger Lite­rat. Als ich näher kom­me, zeigt er mir sei­nen Lyrik­band, blät­tert für mich durch die Sei­ten, über­setzt und erklärt unga­ri­sche Begrif­fe aus der Poe­sie.

Pécs Tage­buch 24. März

Zsol­nay Kul­turá­lis Negy­ed

Lie­be K., seit­dem du weg bist, fin­de ich an jeder Ecke ein Hand­schuh­ge­schäft oder ein Hand­schuh­mu­se­um. Du hät­test noch ein paar Tage län­ger blei­ben sol­len!

Pécs-Tage­buch 25.3.

Sie ent­schul­digt sich für ihr mise­ra­bles Deutsch ohne einen ein­zi­gen gram­ma­ti­ka­li­schen Feh­ler zu machen. Ihr Zopf eine Mischung aus asch­blond und maus­grau, mit strah­len­den Augen japst sie, vor ein paar Mona­ten Oma gewor­den zu sein. Sie ringt nach dem Gene­tiv: Das Kind mei­nes Soh­nes. Jeder Satz wohl über­legt, im Zeit­lu­pen­tem­po aus­ge­spro­chen.

Pécs-Tage­buch 22./23.3.

Als ich nach Hau­se kom­me, wer­fe ich ein wei­ßes Pul­ver ein, hole mir Klo­pa­pier und wün­sche mich auf die Alm ober­halb der Laub­baum­gren­ze. Immer­hin, das Hoch­haus habe ich gese­hen. 25 Stock­wer­ke und seit 27 Jah­ren unbe­wohn­bar.

Pécs-Tage­buch 22.3.

Aber­mals ein neu­er Tag in Pécs. Ges­tern Abend end­lich etwas zu Ende gebracht, nach einem hal­ben Jahr Läh­mung. Heu­te am Mor­gen wie­der Schre­ckens­nach­rich­ten. Die Welt dort drau­ßen lebt also noch. Sie weint. Sie schreit. Sie ist in Panik.

Pécs-Tage­buch 21.3.

Zu K.s Freu­de ist es heu­te kalt – am Weg ins Muse­um winkt sie mir mit roter Hand, kaum sind wir drau­ßen, winkt sie gelb.

Pécs-Tage­buch 20.3.

Besuch von Bekann­ten aus Wien: Gemein­sam schlen­dern wir durch die Stadt, besu­chen sogar die Palm­sonn­tags-Mes­se und besich­ti­gen uns die Inner­städ­ti­sche Pfarr­kir­che.

Pécs-Tage­buch 17.3.

Mit­tel­stadt­rau­schen in einem alt­ehr­wür­di­gen Zis­ter­zi­en­ser-Gym­na­si­um vor­zu­stel­len, hat etwas Bizar­res. Ich erzäh­le von Sex, Dro­gen, Ein­sam­keit und weg­ge­ge­be­nen unehe­li­chen Kin­dern und zeich­ne Strich­max­erl auf die Tafel.

Pécs-Tage­buch 15.3.

Es reg­net in Pécs. Und es ist kalt. Die Hei­zung höher gedreht, die Kuschel­wes­te eng um den Kör­per geschlun­gen. Hei­ßer Kaf­fee. Im Thea­ter­stück ras­ten die Leu­te in ihrer hei­len Welt aus, in der rea­len Welt tun sie es sowie­so. Die Bil­der, von denen unser Außen­mi­nis­ter meint, dass wir sie aus­hal­ten müs­sen, wer­den zur täg­li­chen Nor­ma­li­tät.

Pécs Tage­buch 10.3.

Die Män­ner sind über­wie­gend jung. Eini­ge weni­ge sind in mei­nem Alter, die­se tra­gen Leder­ta­schen. Vie­le Män­ner rau­chen. Vie­le von ihnen tra­gen Arbeits­klei­dung. Man­che fah­ren Rad. Vie­le sit­zen hin­ter dem Steu­er eines Autos oder Lie­fer­wa­gens. Schü­ler und Stu­den­ten gehen in Grup­pen. Am Spiel­platz spie­len 2 Män­ner mit ihren Kin­dern. Eini­ge Män­ner sieht man nicht, man hört sie. Sie boh­ren und häm­mern.

Pécs-Tage­buch 9.3.

Was das alles mit Pécs zu tun hat? Gar nichts. So ein Tage­buch dient nichts ande­rem als dem Frei­schrei­ben. Hirn­ab­fall nennt man das.

Pécs-Tage­buch 8.3.

Vie­les lie­ße sich zum Welt­frau­en­tag schrei­ben. Ich habe mich gegen das Schrei­ben ent­schie­den. Statt­des­sen bin ich den Péc­ser Frau­en ent­ge­gen­ge­gan­gen und nach­ge­schli­chen.

Péc-Tage­buch 6./7.3.

Als ich sag­te: Ich fah­re nach Ungarn, hat mich mein Jun­ge ängst­lich ange­se­hen. Vor einem hal­ben Jahr war Ungarn für ihn ein Fleck auf der Land­kar­te, Durch­zugs­be­giet. Er hat das Land nur unter sich rum­peln gespürt, nie gese­hen. Ich sit­ze in der Bahn und schaue für ihn aus dem Fens­ter. Schwemm­land, Baum­stümp­fe, geduck­te Häu­ser von denen die Fas­sa­de abblät­tert. (2016)